Martin Miller war seit 2005 Präsident des europäischen Baseballverbandes. Im März während des CEB Kongress im niederländischen Rotterdam trat der gebürtige Ingolstädter überraschend zurück. Er verspürte einfach nicht mehr die Unterstützung aus Reihen der Verbände. Wir führten mit ihm ein kleines Interview.

Martin Miller beim CEB-Kongress in Rotterdam im März

In Stuttgart im Jahre 1965 geboren, war Miller 20 Jahre später Gründungsmitglied und 1. Vorsitzender der Ingolstadt Schanzer. Von 1985 bis 1988 war er Vizepräsident des Bayrischen Baseball und Softball Verbands. In der Folge übernahm er 1988 die Präsidentschaft des Deutschen Baseball und Softball Verband und war maßgeblich daran beteiligt, Baseball in Deutschland nach vorn zu bringen. Im Laufe seiner Amtszeit bis 2001 gelang es die Mitgliederzahlen von 2000 auf mehr als 25.000 zu steigern. Zudem wurden Strukturen geschaffen, um dem Wachstum Herr zu werden.

Bereits seit 1998 war Miller bei der CEB aktiv. Zuerst im Exekutivkomitee und ab März 2005 als Präsident und damit Nachfolger von Aldo Notari. Zudem wurde er als Vizepräsident für Europa in das Exekutivkomitee des internationalen Baseballverbands (IBAF) berufen. Unter seiner Führung machte der europäische Baseball einen Schritt nach vorn. Erfolgreiche Europameisterschaften mit TV-Übertragungen fanden 2005, 2007 und 2010 statt. Die Baseball-WM 2009 holte er nach Europa. Auch die Strukturen auf europäischer Ebene wurden mit der Inbetriebnahme des Büros in Frankfurt/Main und der Installation von diversen Fachausschüssen verbessert.

Baseball-Softball.de: Rückblickend auf den CEB Kongress in Rotterdam. Was führte schlussendlich zu dem nach außen hin plötzlichen Rücktritt?

Martin Miller: So einen Entschluss fasst man grundsätzlich nicht ganz spontan; diverse Ereignisse bzw. Erfahrungen spielen im Hintergrund eine große Rolle. Grundsätzlich habe ich jedoch immer gesagt: „wenn ich erkenne, dass sich im europäischen Baseball nichts mehr bewegen lässt, dann ist dies nichts mehr für mich.“ Ich bin ein Mensch bei dem sich etwas sichtbar bewegen muss. Veränderungen müssen sich in erkennbaren Zahlen oder qualitativen Verbesserungen zeigen. Dies konnte ich insbesondere in den letzten zwei Jahren nicht mehr erkennen. Es sollte nicht Verbandspolitik im Vordergrund stehen, sondern Mitgliederwachstum und der Sport.

Baseball-Softball.de: Also gab es jetzt kein spezielles Ereignis oder die Ablehnung der Statutänderungen, die für den Rücktritt ausschlaggebend waren?

Martin Miller: Nein, das war nur der Tropfen auf den heißen Stein. Schon während einer Sitzung des Exekutivkomitees vor dem Kongress habe ich gesagt, dass ich aufhören werde, wenn mir nochmal in den Rücken gefallen wird. Und als es dann tatsächlich passierte, sagte ich, jetzt ist Schluss mit lustig. Ich hatte schon vorher entschieden, im nächsten Jahr nicht mehr zur Wahl zu stehen. Ein Jahr Qual wollte ich mir nicht nochmal antun. Ich hatte Riccardo Fraccari zweimal persönlich gefragt, ob er mich nicht mehr als CEB Präsident haben will. Er hat dies immer verneint. Aber als der spanische Delegierte während der Sitzung aufstand und sagte, dass das Nein auch gegen mich gerichtet ist, ist das Fass übergelaufen.

Baseball-Softball.de: Sie waren seit 2005 Präsident des europäischen Baseballverbandes. Sie hatten sich sicherlich zur Amtseinführung einige Dinge vorgenommen. Haben Sie ihre Ziele erreicht?

Martin Miller: Wie immer ja und nein; wichtig ist jedoch, dass wir seit meiner Amtsübernahme inzwischen einen Europäischen Verband mit klassischen Verbandsstrukturen, einem Büro und entsprechenden Funktionen geschaffen haben.

Baseball-Softball.de: Was waren die größten Errungenschaften?

Martin Miller: Neben den oben angesprochenen strukturellen Errungenschaften haben in meiner Amtszeit große Turniere in Europa (und auch in Deutschland) stattgefunden: die Baseball WM 2009, der Qualifier zur World Baseball Classic 2012, Euro 2005, 2007, 2010 und auch 2012, die erstmalig alle live im TV und im Internet übertragen wurden und werden. Und auch das Final Four im Europacup wurde auf den Weg gebracht, auch wenn da noch weitere Schritte notwendig sind. Baseball-Europa hat bei diesen Ereignissen nie dagewesene Zuschauerzahlen in den Stadien zählen können.

Während meiner Präsidentschaft konnten wir einen Anstieg auf 38 Mitgliedsverbände und zwei passive Mitglieder verzeichnen. Alle Verbände sind Teil des CEB-Entwicklungsprogramms und sind in den diversen Wettbewerben auf europäischer Ebene aktiv. Zudem blieben die Mitgliederzahlen konstant, obwohl Baseball nicht mehr Teil des olympischen Programms ist.

Baseball-Softball.de: Während die Turniere für Nationalmannschaften äußerste Beliebtheit bei den Fans haben, scheinen die Europacups nicht so richtig vorwärts zu kommen. Ist eine Europaliga mittelfristig realistisch?

Martin Miller: Vor einem Jahr hätte ich gesagt, ja. Wie es jetzt weitergeht, kann ich nicht beurteilen. Ich denke, eher nicht. Die großen Verbände müssten mitziehen. Italien will momentan keine Europaliga. Deutschland ziert sich. Holland ist mit der derzeitigen Situation zufrieden, würde aber eine Europaliga auch mittragen.

Baseball-Softball.de: Was waren die größten Schwierigkeiten auf europäischer Ebene?

Martin Miller: Man sollte sagen – was sind die größten Schwierigkeiten. Das sind mit Sicherheit die extrem hohen Größenunterschiede der einzelnen Mitgliedsverbände. Zwischen 100 Mitglieder (kleiner als ein normaler zweit oder drittklassiger BB-Verein in Deutschland) und mehreren 10.000 Mitgliedern bei den drei großen Verbänden. Insbesondere die beiden schon immer führenden Verbände Italien und Holland haben kein Interesse, dass der Wettbewerb im Ganzen größer wird. Aber ohne Wettbewerb keine Attraktivität, ohne Attraktivität kein Öffentliches Interesse und ohne öffentliches Interesse kein TV, und ohne TV … Ein Teufelskreis den keiner so richtig wahrhaben will. Daran bin ich letztendlich auch gescheitert.

Baseball-Softball.de: Würde es helfen einen Baseball-Dirk-Nowitzki in der MLB zu haben?

Martin Miller: Natürlich würde das helfen, nur befürchte ich, dass Baseball Europa bzw. Baseball-Deutschland darauf nicht hinreichend vorbereitet wären. Schlimmer noch, wenn Kinder auftauchen die wir nicht umsorgen und integrieren könnten, verlassen diese frustriert für ihr ganzes Leben unseren wundervollen Sport.

Baseball-Softball.de: Inwiefern? Könnten Sie das noch weiter ausführen? Was meinen sie mit „nicht vorbereitet“?

Martin Miller: Vor allem strukturell. Die Infrastrukturen der Verbände und Vereine in Europa sind auf so einen Fall nicht vorbereitet. Als Beispiel nenne ich 1995 als mit Hilfe von MLB das Play-Ball-Schulprogramm ins Leben gerufen wurde und die Anfragen der Lehrer und Schulen durch den Verband nicht bearbeitet werden konnten. Es kann dann passieren, dass hunderte Kinder die Vereine stürmen, diese aber wieder zurückschickt werden müssen, da die Vereine nicht darauf vorbereitet sind.

Baseball-Softball.de: Wie sehen Sie die Zukunft des europäischen und deutschen Baseballs?

Martin Miller: Wenn die Politik überhandnimmt leider nicht sehr rosig. Ohne quantitatives Wachstum in den großen Ländern Europas wie Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Russland, Polen, … wird der Sport nicht aus dem Schatten treten.

Baseball-Softball.de: Als Spieler und Funktionär sind Sie seit vielen Jahren dem Baseball verbunden. Werden Sie dies in Zukunft auch sein?

Martin Miller: Als Funktionär – nein. Als Spieler – nein. Als Fan/Zuschauer – sicher ja. Baseball ist eben eine faszinierende Sportart.

Baseball-Softball.de: Baseball und Softball sind nicht mehr Teil des Olympischen Programms. Was müssen die beiden Sportarten Ihrer Meinung nach tun, dass sie wieder in die Olympische Familie zurückkehren können?

Martin Miller:

1. Wesentlich unpolitischer agieren und auf das konzentrieren was wichtig ist – WACHSTUM

2. Endlich Baseball und Softball als eine Sportart mit zwei Disziplinen weltweit aufstellen – das lässt mindestens doppelte Größe erkennen

3. Den professionellen Teil des Sports – in aller Welt nicht nur Nordamerika insgesamt integrieren

Wenn insbesondere 1) und 2) nicht gelingen ist eine Rückkehr ins olympische Programm undenkbar. Und der Weg führt über Europa, denn die IOC-Entscheider sitzen mehrheitlich in Europa. Meine ersten Aussagen ganz oben stimmen mich deshalb leider NICHT positiv.

Baseball-Softball.de: Wie ist das Verhältnis von Baseball und Softball in Europa? Kann man da zusammenarbeiten oder spielen auch hier politische Spiele eine Rolle?

Martin Miller: Wir sind auf einem guten Weg. Ich hatte gute Gespräche mit dem ESF-Präsidenten und wir waren schon kurz davor die beiden Verbände in Europa zusammenzulegen. Wir wollten den gemeinsamen Kongress in Wien im nächsten Jahr. Dies scheiterte, da Russland und Alexander Ratner den Kongress nach Moskau holen wollten. Er ließ sich davon auch nicht abbringen und wir einigten uns letztlich auf den faulen Kompromiss Slowenien.

Baseball-Softball.de bedankt sich bei Martin Miller für das Gespräch und wünscht eine erfolgreiche Zukunft auch außerhalb des Baseballsports.